I hope you’re feeling happy now
I see you feel no pain at all, it seems
I wonder what you’re doin‘ now
I wonder if you think of me at all
Do you still play the same moves now?
Or are those special moods for someone else?
I hope you’re feeling happy now
Just because you feel good
Doesn’t make you right, oh no
Just because you feel good
Still want you here tonight
Dieses Lied machte die Band 1996 weltberühmt: Es ging um Trennungsschmerz und Liebeskummer.
25 Jahre später entdecke ich das Lied und höre es hoch und runter und es hört sich so vertraut an. Ich höre es hoch und runter und versinke in Traurigkeit und fange immer wieder an zu weinen und habe dem Impuls, meiner Exfreundin, an die ich denke, zu schreiben – und versuche, es lieber nicht zu tun, da sie schon länger nicht mehr auf meine Nachrichten reagiert.
Es ist die Frau, von der ich mich schon 100 mal getrennt habe und die doch immer wieder durch meine Träume und Sehnsüchte spukt.
Zur Sicherheit schließe ich aber einen Pakt mit meiner Kollegin und Freundin Galja, dass wir uns nun 1 Woche lang nicht mehr bei unseren Expartnern melden.
…und ich merke, dass hinter diesem Trennungsschmerz noch meine erste große Liebe durch meine Seele spukt und der Schmerz, von ihr getrennt zu sein,
und vor allem die Trauer darüber, dass unsere Tochter mit getrennten Eltern aufwächst, obwohl da im Verborgenen eine unaushaltbar starke Liebe im Sturm verglühte.
…und dass dahinter der Schmerz der Scheidung meiner Eltern rumspukt,
all die gebrochenen Herzen, weil zwei unsichere, angeblich erwachsene Menschen, nicht einfach glücklich sein konnten miteinander, bis die Familie daran zerbrochen ist und ich den Rest meiner Kindheit mit so vielen gebrochenen Herzen um mich herum aufgewachsen bin.
Und wenn ich noch weiter buddele, finde ich noch mehr Trennungsschmerz und Einsamkeit.
Da ist die Einsamkeit meines Großvaters, weil seine Mutter zu zeitig gestorben ist und seine Stiefmutter ihn nie ganz annahm.
Da ist die Trauer über den Verlust meiner Cousine Nancy, die nicht unsere leibliche Cousine war – aber sie war für mich und meine Schwester doch trotzdem unsere Cousine.
Da ist die Trauer über die gescheiterte Kommune meiner Kindheit, in der es doch so paradiesische Umstände für uns Kinder gab – mit Schlosspark und großem Saal, wo manchmal alle Kinder zusammen übernachteten, und Speiseraum, wo eine zeitlang alle zusammen aßen.
Da ist die Trennung meiner Mutter von Lutz, der für ein paar Jahre Ersatzvater für mich war. Ich habe ja kein Problem mit Weinen: und als ich 2019 Lutz wiedertraf nach 20 Jahren, brach ich ganz selbstbewusst in Tränen aus.
Da ist die Traurigkeit, dass ich nach meinem Referendariat die wilde 9d aufgegeben habe, zu der ich ein so starkes Lehrer-Schüler-Verhältnis aufgebaut hatte und die mir noch 2 Jahre später Emails schrieben. Im Referendariat brach ich übrigens auch regelmäßig in Tränen aus – ich fand, die Verantwortlichen sollten ruhig sehen, was sie uns da antaten.
Die verrückten 90er-Jahre
Da ist die verlorene Einsamkeit all der vernachlässigten Jugendlichen und Kinder der 90er Jahre in Ostdeutschland, weil ihre Eltern so sehr mit sich und die Politiker und Pädagogen mit der Wiedervereinigung beschäftigt waren. All die Punks und Neonazis, all die verfrühten Drogen- und Sexerfahrungen, all die rebellierenden Jugendlichen, die niemanden hatten, der ihre Gefühle und Unsicherheiten halten konnte – und die sich dann in die scheinbare Sicherheit von Betäubung und Parties flüchteten. Vielleicht mag ich auch deswegen Liebeskummerlieder aus den 90er-Jahren so sehr, weil sie meine mir damals nicht bewussten Emotionen ausdrücken, die ich aufgesogen habe, ohne mich dafür entscheiden zu können. Damals war ich noch ein Kind und konnte mich noch nicht bewusst wehren gegen all die Unreife der Erwachsenen.
Die 90er-Jahre waren das letzte Jahrzehnt des spannendsten Jahrhunderts der Menschheitsgeschichte: das Ende des Jahrhunderts der beiden Weltkriege, der Beginn des Internets und der Übergang in ein neues Jahrtausend, welches noch einmal ganz neue Herausforderungen für die Menschheit bereit hält.
Mein Leben begann mit dem Fall der Berliner Mauer,
in einer Plattbausiedlung im äußeren Osten von Berlin,
begleitet von Kommunengründungen, inspiriert von Karl Marx.
Im Gegensatz zu der Kindheit meiner Eltern und Großeltern gab es in meinem Leben keinen Krieg, keinen Kommunismus und keine materiellen Mängel. Mein Leben begann in einer neuen, materiell sorgenfreien Ära der deutschen Geschichte. Es gibt so viel Raum zum bewusst Glücklichsein wie nie zuvor.
Aber es ist damit vielleicht auch zum ersten mal Raum, um zu reflektieren, was sich da alles angestaut hat in der Seele der Familie.
Opas Stolz auf die Familie
Da ist die Einsamkeit meines Großvaters, weil seine Mutter zu zeitig gestorben ist und seine Stiefmutter ihn nie ganz annahm. Ich glaube, dieser Verlust und seine Einsamkeit hat ihn im Verborgenen ein Leben lang begleitet. Opa erzählte mir, dass er jeden morgen eine Stunde in die Schule lief. Es gab im Krieg und während der Jahre danach nicht viel zu essen – aber es gab Apfelbäume und so stopfte er sich die Knickerbockersocken voll mit Äpfeln als Proviant für den Tag. Später gab es den Garten mit Äpfelbäumen, wo die Familie immer wieder zusammenkam und Oma ihren Kuchen mit Sahne und Kaffee servierte, wo die Kinder Indianer spielten und alle miteinander Tischtennis – und wo Opa abends am Grill stand und Bier trank und wir vom Feld geklauten Mais grillten.
2018 war Opa totkrank, als er mit aller Kraft um sein Leben kämpfte, um seinen 80. Geburtstag feiern zu können – noch einmal mit seiner ganzen Familie. Er hat eine bewegende Rede gehalten über seinen Stolz auf die große Familie, all die Hosangs in der Oberlausitz, die es hier nun gibt, obwohl es sie früher hier nicht gab, bevor er in die Oberlausitz kam. Meine beiden Eltern waren da und mein Opa redete vom Wert der Familie. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin rausgegangen und meinen kleinen Halbbruder dazu gebracht, mit mir Longboard zu fahren als Ablenkung. Zu allem Überfluss traf ich auf der Straße Nancy, die früher einmal meine Cousine war und sagte, „Feiert Opa seinen Geburtstag heute im Spreetal? Ich habe schon an ihn gedacht.“
Denn da war auch der Schmerz von der Trennung von meiner Cousine Nancy, die eigentlich nicht unsere leibliche Cousine war – aber sie war eben trotzdem unsere Cousine. Oma hat immer alle zusammen gehalten, selbst als die neue Frau meines Onkels Nancy nicht als Teil der Familie haben wollte. Und zu Weihnachten hat Oma weiterhin mit uns Plätzchen gebacken, auch wenn die komischen Erwachsenen sich trennten. Bei Opas Beerdigung musste ich oft rüber schauen zu Nancy und wir hatten beide ständig Tränen in den Augen.
Aber am 80. Geburtstag gab es noch ein paar heile und heilsame Moment. Alle gingen die übliche Route spazieren, vom Spreetal in den Garten. Ich habe mich zur Mittagsruhe neben Opa im Kinderzimmer aufs Bett gelegt. Er hat meine Hand genommen und gesagt, wie stolz er auf mich sei und wie dankbar für all die schönen Urlaube, die wir in meiner Kindheit zusammen unternommen haben. Meine Großeltern haben meist mich oder meine Schwester mit in den Urlaub genommen auf irgendeine neue Insel. In der DDR gab es sowas nicht – All-Inclusive-Urlaub auf der Insel. Und während unsere Eltern sich doch so unerwachsen verhielten und sich scheiden ließen, gaben sie mir und meiner Schwester damit ein Stück heile Familie.
Opa fand sein Glück, nachdem er ohne Rückfahrticket aus Thale im Harz nach Bautzen in die Oberlausitz fuhr und dort meine Großmutter beim Ball in Cunewalde kennenlernte und mit ihr eine Familie gründete und bis zu seinem Tode voller Stolz darauf blickte, dass er nun 20 Nachfahren mit seinem Namen in die Welt, also in die Oberlausitz, gebracht hat.
Der Schmerz der Scheidung
Meine Oma kämpfte gegen die Scheidung meiner Eltern an, doch vergebens. Sie kämpfte einst so stark für ein sicheres bürgerliches Leben,
dass mein Vater so stark gegen genau diese, als zu eng erlebte Bürgerlichkeit, ankämpfte, bis es nur noch Scherben gab.
Meine Oma hielt so stark fest an dem hart erarbeiteten bürgerlichen Leben. Nachdem sie doch einmal Hunger und Überlebensangst erlebte, damals nach dem Krieg, auf der Flucht vor den Russen im Leiterwagen durch die Hügel der Oberlausitz. Zumindest hatten sie meist genug zu essen, da ihr Vater Bäcker war und Mehl tauschen konnte gegen Fleisch und Butter. Doch manchmal gab es auch einfach nur Brot mit Apfelmus. Dies aß sie manchmal mit uns Kindern und erinnerte sich daran, dass sie es nun besser habe.
The Power is Here Now
Und nun da ich diesen Text schreibe, schießen mir immer mal wieder Tränen in die Augen und ich werde erschüttert von all dem Schmerz der vergangenen einsamen und gebrochenen Herzen.
Dann höre ich ab und zu lieber ein eher heilendes Lied, wenn mich all die Gefühle anfangen zu überfordern.