Der Schmerz der letzten Jahre des Jahrtausends

I hope you’re feeling happy now
I see you feel no pain at all, it seems
I wonder what you’re doin‘ now
I wonder if you think of me at all
Do you still play the same moves now?
Or are those special moods for someone else?
I hope you’re feeling happy now

Just because you feel good
Doesn’t make you right, oh no
Just because you feel good
Still want you here tonight

Dieses Lied machte die Band 1996 weltberühmt: Es ging um Trennungsschmerz und Liebeskummer.
25 Jahre später entdecke ich das Lied und höre es hoch und runter und es hört sich so vertraut an. Ich höre es hoch und runter und versinke in Traurigkeit und fange immer wieder an zu weinen und habe dem Impuls, meiner Exfreundin, an die ich denke, zu schreiben – und versuche, es lieber nicht zu tun, da sie schon länger nicht mehr auf meine Nachrichten reagiert.
Es ist die Frau, von der ich mich schon 100 mal getrennt habe und die doch immer wieder durch meine Träume und Sehnsüchte spukt.
Zur Sicherheit schließe ich aber einen Pakt mit meiner Kollegin und Freundin Galja, dass wir uns nun 1 Woche lang nicht mehr bei unseren Expartnern melden.

…und ich merke, dass hinter diesem Trennungsschmerz noch meine erste große Liebe durch meine Seele spukt und der Schmerz, von ihr getrennt zu sein,
und vor allem die Trauer darüber, dass unsere Tochter mit getrennten Eltern aufwächst, obwohl da im Verborgenen eine unaushaltbar starke Liebe im Sturm verglühte.

…und dass dahinter der Schmerz der Scheidung meiner Eltern rumspukt,
all die gebrochenen Herzen, weil zwei unsichere, angeblich erwachsene Menschen, nicht einfach glücklich sein konnten miteinander, bis die Familie daran zerbrochen ist und ich den Rest meiner Kindheit mit so vielen gebrochenen Herzen um mich herum aufgewachsen bin.

Und wenn ich noch weiter buddele, finde ich noch mehr Trennungsschmerz und Einsamkeit.

Da ist die Einsamkeit meines Großvaters, weil seine Mutter zu zeitig gestorben ist und seine Stiefmutter ihn nie ganz annahm.

Da ist die Trauer über den Verlust meiner Cousine Nancy, die nicht unsere leibliche Cousine war – aber sie war für mich und meine Schwester doch trotzdem unsere Cousine.

Da ist die Trauer über die gescheiterte Kommune meiner Kindheit, in der es doch so paradiesische Umstände für uns Kinder gab – mit Schlosspark und großem Saal, wo manchmal alle Kinder zusammen übernachteten, und Speiseraum, wo eine zeitlang alle zusammen aßen.

Da ist die Trennung meiner Mutter von Lutz, der für ein paar Jahre Ersatzvater für mich war. Ich habe ja kein Problem mit Weinen: und als ich 2019 Lutz wiedertraf nach 20 Jahren, brach ich ganz selbstbewusst in Tränen aus.

Da ist die Traurigkeit, dass ich nach meinem Referendariat die wilde 9d aufgegeben habe, zu der ich ein so starkes Lehrer-Schüler-Verhältnis aufgebaut hatte und die mir noch 2 Jahre später Emails schrieben. Im Referendariat brach ich übrigens auch regelmäßig in Tränen aus – ich fand, die Verantwortlichen sollten ruhig sehen, was sie uns da antaten.

Die verrückten 90er-Jahre

Da ist die verlorene Einsamkeit all der vernachlässigten Jugendlichen und Kinder der 90er Jahre in Ostdeutschland, weil ihre Eltern so sehr mit sich und die Politiker und Pädagogen mit der Wiedervereinigung beschäftigt waren. All die Punks und Neonazis, all die verfrühten Drogen- und Sexerfahrungen, all die rebellierenden Jugendlichen, die niemanden hatten, der ihre Gefühle und Unsicherheiten halten konnte – und die sich dann in die scheinbare Sicherheit von Betäubung und Parties flüchteten. Vielleicht mag ich auch deswegen Liebeskummerlieder aus den 90er-Jahren so sehr, weil sie meine mir damals nicht bewussten Emotionen ausdrücken, die ich aufgesogen habe, ohne mich dafür entscheiden zu können. Damals war ich noch ein Kind und konnte mich noch nicht bewusst wehren gegen all die Unreife der Erwachsenen.

Die 90er-Jahre waren das letzte Jahrzehnt des spannendsten Jahrhunderts der Menschheitsgeschichte: das Ende des Jahrhunderts der beiden Weltkriege, der Beginn des Internets und der Übergang in ein neues Jahrtausend, welches noch einmal ganz neue Herausforderungen für die Menschheit bereit hält.

Mein Leben begann mit dem Fall der Berliner Mauer,
in einer Plattbausiedlung im äußeren Osten von Berlin,
begleitet von Kommunengründungen, inspiriert von Karl Marx.

Im Gegensatz zu der Kindheit meiner Eltern und Großeltern gab es in meinem Leben keinen Krieg, keinen Kommunismus und keine materiellen Mängel. Mein Leben begann in einer neuen, materiell sorgenfreien Ära der deutschen Geschichte. Es gibt so viel Raum zum bewusst Glücklichsein wie nie zuvor.

Aber es ist damit vielleicht auch zum ersten mal Raum, um zu reflektieren, was sich da alles angestaut hat in der Seele der Familie.

Opas Stolz auf die Familie

Da ist die Einsamkeit meines Großvaters, weil seine Mutter zu zeitig gestorben ist und seine Stiefmutter ihn nie ganz annahm. Ich glaube, dieser Verlust und seine Einsamkeit hat ihn im Verborgenen ein Leben lang begleitet. Opa erzählte mir, dass er jeden morgen eine Stunde in die Schule lief. Es gab im Krieg und während der Jahre danach nicht viel zu essen – aber es gab Apfelbäume und so stopfte er sich die Knickerbockersocken voll mit Äpfeln als Proviant für den Tag. Später gab es den Garten mit Äpfelbäumen, wo die Familie immer wieder zusammenkam und Oma ihren Kuchen mit Sahne und Kaffee servierte, wo die Kinder Indianer spielten und alle miteinander Tischtennis – und wo Opa abends am Grill stand und Bier trank und wir vom Feld geklauten Mais grillten.

2018 war Opa totkrank, als er mit aller Kraft um sein Leben kämpfte, um seinen 80. Geburtstag feiern zu können – noch einmal mit seiner ganzen Familie. Er hat eine bewegende Rede gehalten über seinen Stolz auf die große Familie, all die Hosangs in der Oberlausitz, die es hier nun gibt, obwohl es sie früher hier nicht gab, bevor er in die Oberlausitz kam. Meine beiden Eltern waren da und mein Opa redete vom Wert der Familie. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin rausgegangen und meinen kleinen Halbbruder dazu gebracht, mit mir Longboard zu fahren als Ablenkung. Zu allem Überfluss traf ich auf der Straße Nancy, die früher einmal meine Cousine war und sagte, „Feiert Opa seinen Geburtstag heute im Spreetal? Ich habe schon an ihn gedacht.“

Denn da war auch der Schmerz von der Trennung von meiner Cousine Nancy, die eigentlich nicht unsere leibliche Cousine war – aber sie war eben trotzdem unsere Cousine. Oma hat immer alle zusammen gehalten, selbst als die neue Frau meines Onkels Nancy nicht als Teil der Familie haben wollte. Und zu Weihnachten hat Oma weiterhin mit uns Plätzchen gebacken, auch wenn die komischen Erwachsenen sich trennten. Bei Opas Beerdigung musste ich oft rüber schauen zu Nancy und wir hatten beide ständig Tränen in den Augen.

Aber am 80. Geburtstag gab es noch ein paar heile und heilsame Moment. Alle gingen die übliche Route spazieren, vom Spreetal in den Garten. Ich habe mich zur Mittagsruhe neben Opa im Kinderzimmer aufs Bett gelegt. Er hat meine Hand genommen und gesagt, wie stolz er auf mich sei und wie dankbar für all die schönen Urlaube, die wir in meiner Kindheit zusammen unternommen haben. Meine Großeltern haben meist mich oder meine Schwester mit in den Urlaub genommen auf irgendeine neue Insel. In der DDR gab es sowas nicht – All-Inclusive-Urlaub auf der Insel. Und während unsere Eltern sich doch so unerwachsen verhielten und sich scheiden ließen, gaben sie mir und meiner Schwester damit ein Stück heile Familie.

Opa fand sein Glück, nachdem er ohne Rückfahrticket aus Thale im Harz nach Bautzen in die Oberlausitz fuhr und dort meine Großmutter beim Ball in Cunewalde kennenlernte und mit ihr eine Familie gründete und bis zu seinem Tode voller Stolz darauf blickte, dass er nun 20 Nachfahren mit seinem Namen in die Welt, also in die Oberlausitz, gebracht hat.

Der Schmerz der Scheidung

Meine Oma kämpfte gegen die Scheidung meiner Eltern an, doch vergebens. Sie kämpfte einst so stark für ein sicheres bürgerliches Leben,
dass mein Vater so stark gegen genau diese, als zu eng erlebte Bürgerlichkeit, ankämpfte, bis es nur noch Scherben gab.

Meine Oma hielt so stark fest an dem hart erarbeiteten bürgerlichen Leben. Nachdem sie doch einmal Hunger und Überlebensangst erlebte, damals nach dem Krieg, auf der Flucht vor den Russen im Leiterwagen durch die Hügel der Oberlausitz. Zumindest hatten sie meist genug zu essen, da ihr Vater Bäcker war und Mehl tauschen konnte gegen Fleisch und Butter. Doch manchmal gab es auch einfach nur Brot mit Apfelmus. Dies aß sie manchmal mit uns Kindern und erinnerte sich daran, dass sie es nun besser habe.

The Power is Here Now

Und nun da ich diesen Text schreibe, schießen mir immer mal wieder Tränen in die Augen und ich werde erschüttert von all dem Schmerz der vergangenen einsamen und gebrochenen Herzen.

Dann höre ich ab und zu lieber ein eher heilendes Lied, wenn mich all die Gefühle anfangen zu überfordern.

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Flucht, Therapeuten, Scheiße und Wurzeln

Ich habe viele Fluchtversuche aus meinem Physikstudium unternommen. Ein besonders Geglückter hat mich bis nach Nepal gebracht.

Dort geschah etwas besonderes, was mir wirklich selten widerfährt:
Ich langweilte mich.

Trotz Himalaya, Buddhistischer Tempel und köstlichem Essen hatte ich einfach keinen Bock mehr auf Reisen, Ortswechsel, Sightseeing, Wandern.

Ich sehnte mich nach geistiger Anregung jenseits des immergleichen Backpacker-„Buddhismus heilt die Welt“-Blablas.

Einmal fand ich mich in Pokhara wieder, wie ich tagsüber im dunklen Internetcafe saß und Wikipedia-Artikel über Astronomie las.

Und als ich später durch die Straßen Kathmandus schlenderte, trieb es mich in einen Buchladen und dort blieb ich den halben Tag hängen. Die Reisenden aus der ganzen Welt hinterließen, verkauften oder tauschten hier ihre mitgebrachten Bücher.
Ich schämte mich ein bisschen für meine Entdeckungsfaulheit gegenüber den Kulturen, die ich besuchte – aber ich empfand eine unheimliche Anziehungskraft gegenüber den deutschen und englischen Büchern. Die ganz banalen Romane ließen mich kalt. Aber alles, was sich an verdaulicher, westlicher intellektueller Kultur finden ließ, sog ich auf.

Ich versank in der Welt der Therapeuten, Forscher und Philosophen.

Da war zum Beispiel Jared Diamonds geniales Werk „Guns, Germs and Steel“ über die Entwicklung der geowirtschaftlichen Ungleichheit in der Welt. Da war ein kleines schönes Büchlein von Kafka.

Und ich entdeckte die Romane von Irvin Yalom. Die Schopenhauer-Kur verschlang ich sofort, danach gab es gottseidank auch noch Die rote Couch.

Für ein paar Tage konnte ich selbst Therapeut und zugleich Patient sein.

Gestern kam auf 3sat eine wundervolle Dokumentation über Irvin Yalom – Yalom’s Cure.

Sie stellt seine Arbeit als Therapeut und Autor dar und führt durch die Wendungen seines eigenen Lebens und die Mängel seiner Kindheit, die ihn auf seiner Suche nach Selbstheilung zum Therapeuten machten.

Es heißt ja oft, dass Psychologen alle selbst einen Schaden haben.
Ich glaube, für die später guten Therapeuten sollte das zutreffen.

Der buddhistishe Mönch Ajahm Brahm stellte einmal den Unterschied zwischen einem guten und einem durchschnittlichen spirituellem Lehrer fest. Und er meinte, dass die Menschen, die sich selbst durch einen dicken Haufen Scheiße buddeln mussten, später besonders gute Reiseführer raus aus der Scheiße werden.

Also, auf unsere Scheiße im Leben!

Und dafür fällt mir eine schöne Geschichte ein, die wohl ursprünglich vom großartigen Milton Erickson stammt:

Der Baum

Ein Gärtner beabsichtigte einen schönen neuen Baum zu pflanzen. Er sollte die besten Voraussetzungen zum Wachsen haben, einfach die besten, die ein Baum nur haben kann. Also hob er weiträumig um die Einpflanzungsstelle den Boden aus und entfernte alle Steine und alles was den Wurzeln des Baumes im Wege sein konnte.

Dann nahm er die weichste und lockerste Erde, die zu finden war, und schüttete sie in die vorgegrabene Vertiefung und setzte den jungen Baum hinein. Die Wurzeln sollten es so leicht wie möglich haben, sich ihren Weg zu bahnen. Ja sie sollten sich ungehindert entfalten können und sich nicht durch harten Boden kämpfen müssen, und kein Stein, sollte ihre Bahnen stören.

Der Baum wuchs schnell in die weiche Erde hinein und begann seine Wurzel in ihr auszubreiten und mit aller Kraft schoss er in die Höhe. Der Gärtner sah es mit Freude, gab dem Baum die beste Düngung und schnitt ihm den Weg zum Licht frei, indem er alle Pflanzen in der Umgebung beseitigte. So brauchte der Baum sich nicht mühen und hatte Nahrung, Licht und Helligkeit im Überfluss. Schließlich war er zu beträchtlicher Höhe emporgeschossen.

Da geschah es, dass eines Tages ein großer Sturm heranzog und mit gewaltigen Böen über das Land brauste. Der Wind griff nach dem Baum und zerrte an seinen Zweigen und Ästen und da die Pflanzen in der Umgebung alle kurz gehalten waren, traf ihn die Gewalt des Sturmes schutzlos.

Gleichfalls wäre es für einen Baum dieser Größe ein leichtes gewesen, dem Sturm zu widerstehen, doch die Wurzeln griffen nur in weichen Boden, fanden keinen Halt und keinen Stein, den sie umklammern konnten. Nirgendwo hatten sie sich durchgekämpft, nirgendwo sich Platz schaffen müssen. So drückte der Sturm den schönen Baum zur Seite, riss ihn mit samt seinen Wurzeln aus und warf ihn zu Boden.

Wir sind geboren, um frei zu sein.

Wir sind geboren, um frei zu sein.
Und wir werden es schaffen, wir werden es schaffen.

Rio Reiser singt 1970 ein Lied von der Idee eines freien, selbstbestimmten Lebens.
Es ist eine Utopie, Hoffen, Ankämpfen gegen die eigene Resignation.

Wir müssen hier raus!
Das ist die Hölle!

Wir leben im Zuchthaus!

1970 ist eigentlich eine aufregende Zeit. Während meine Eltern Jungpioniere werden, bildet sich auf der anderen Seite der Mauer gerade die Rote Armee Fraktion. Die Umweltbewegung macht die ersten Gehversuche in der Politik, die Hippies kommen in Fahrt, einige bis nach Indien zu Osho.

Rio Reiser reist nicht so weit, weder äußerlich noch innerlich.
Freiheit bleibt für ihn eine lyrische Utopie, trotz Musik und Erfolg, trotz Kreuzberg.

Mein Alter sagt, die Welt wird sich nicht ändern,
dabei weiß er ganz genau, was läuft.
Doch er glaubt, er vergißt die ganze Scheiße,
wenn er abends in der Kneipe hängt und säuft.
Er sagt, der schönste Platz ist immer an der Theke,
da hat er recht, zu Haus ist kaum noch Platz für drei.
Darum bin ich auch den ganzen Tag auf Arbeit,
man kann sagen, ich bin so frei.

1970 fängt die Welt gerade erst an, sich wieder aus dem Imperialismus zu befreien. Der kalte Krieg ist noch ziemlich kalt. Die Frauenbewegung wird langsam heißer. Schwulsein ist trotzdem noch nicht so einfach, auch nicht in Kreuzberg.
Und ich weiß nicht, ob Rios Vater Alkoholiker war, wie in dem Lied.
Aber Rio war es und ist daran mit 46 Jahren gestorben.
Depressionen waren Rio Reisers Alltag.
Wie verlockend ist es, diese für ein paar Stunden im Alkohol zu betäuben.

Ungefähr seit 1970 werden auch Antidepressiva Objekte des rationalen Wirkstoffdesigns und ein immer beliebteres Betäubungsmittel für all die Kranken.
Und heute leiden offiziell vier Millionen Deutsche an Depressionen.

Depressionen gehen einher mit einem Mangel an Glückshormonen im Gehirn.

Aber meinen Neuntklässlern in Mathe habe ich versucht zeitig beizubringen, dass man aus Korrelationen nicht einfach Kausalitäten machen sollte.

Doch noch immer glauben viele Menschen, dass das kranke Gehirn die Ursache sei – statt dies als ein Symptom zu betrachten.

Es ist auch anstrengender darüber nachzudenken, ob man eigentlich ein Leben führt, in dem man überhaupt glücklich sein kann. Ob man in dieser Gesellschaft, in der man lebt, glücklich sein kann. Ob die Zwänge, denen man sich aussetzt, einem erlauben – glücklich zu sein und wieviele man davon in seiner Kind angezogen bekommen hat.

Im Guardian schreibt Johann Hari einen pointierten Artikel darüber, dass wir Depressionen vollkommen falsch deuten. Er schreibt über seine Depressionen, die in seiner Kindheit begannen und die 14 Jahre mit Antidepressiva behandelt wurden, bevor er auf einer weltweiten Forschungsreise versuchte, den wahren Ursachen der Depressionen auf den Grund zu gehen – die Entfremdung von den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen, die Resignation darüber.
„Is everything you think you know about depression wrong?“

After I learned all this, and what it means for us all, I started to long for the power to go back in time and speak to my teenage self on the day he was told a story about his depression that was going to send him off in the wrong direction for so many years. I wanted to tell him: “This pain you are feeling is not a pathology. It’s not crazy. It is a signal that your natural psychological needs are not being met. It is a form of grief – for yourself, and for the culture you live in going so wrong. I know how much it hurts. I know how deeply it cuts you. But you need to listen to this signal. We all need to listen to the people around us sending out this signal. It is telling you what is going wrong. It is telling you that you need to be connected in so many deep and stirring ways that you aren’t yet – but you can be, one day.”

If you are depressed and anxious, you are not a machine with malfunctioning parts. You are a human being with unmet needs. The only real way out of our epidemic of despair is for all of us, together, to begin to meet those human needs – for deep connection, to the things that really matter in life.

Rio Reiser hat das auch gewusst.

Wir müssen hier raus!
Das ist die Hölle!

Wir leben im Zuchthaus!

Aber er hat es nicht geschafft, sich zu befreien.

Heute sind wir kollektiv ein bisschen weiter.
Aber wir bewegen uns noch immer ziwischen so vielen Zuchthäusern.

Aber wir wissen inzwischen auch ganz gut, wie diese Zuchthäuser gebaut sind, wie wir sie vielleicht wieder abbauen können. Wie wir Häuser mit einem freierem Blick nach außen bauen, aus denen man sich auch ab und zu mal herausbewegen kann.

Und vielleicht können wir auch wieder die Welt außerhalb der Häuser sehen…

 

 

 

 

 

 

 

Lehrer und Schüler

Bei einem Spaziergang habe ich heute zufällig meinen ehemaligen Biologielehrer getroffen. Für meine eigene Zeit als Lehrer war er mir ein wichtiges Vorbild. Er war sehr streng und sehr herzlich und hat mit viel Humor und albernen Anekdoten alle Themen lebendig werden lassen.

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Wir haben dann drei Stunden über die Schönheit und Ärgernisse des Lehrerseins geredet, über die AfD, über die DDR und die Freude, am Leben zu sein.
Ich habe gemerkt, wie bereichernd es ist, Kontakt zu meinen ehemaligen Lehrern zu suchen, trotz aller Unzufriedenheit über die Pädagogik von damals.

Unsere Lehrer haben für uns Nächte durchgearbeitet, haben viele der Fähigkeiten mitgegeben, die uns dahin gebracht haben, wo wir jetzt sind. Sie haben uns unterhalten, provoziert, uns erzogen, sich für uns eingesetzt, sind an uns verzweifelt und haben gesundheitliche Schäden durch uns erlitten.

Lehrersein ist wahrscheinlich einer der schönsten und härtesten Berufe, die man sich nur suchen kann. Da steckt man Jahre intensiver, emotionaler Arbeit in pubertierende Nervensägen und dann hauen die einfach ab und kommen nicht wieder.

Ich selbst habe es lieber wieder gelassen.

Aber ich habe gelernt, dass man seine Schüler nicht mehr vergisst und dass es sehr schön ist, die Nervensägen ab und zu mal wieder zu sehen.

Endstation Schule III

Vor 7 Jahren habe ich die Schule verlassen, recht erfolgreich, aber sehr missverstanden. Jetzt bin ich wieder an einer Schule und stehe auf der anderen Seite. Und alle gehen davon aus als bliebe ich hier für den Rest meines Lebens. Warum zur Hölle tue ich das?
Habe ich denn ernsthaft vergessen, was Schule für mich hieß?

  • jahrelanges Stillsitzen
  • Regeln, die nicht von uns gemacht, sondern uns aufgezwungen wurden
  • langweiliger Unterricht
  • Lehrer, die selbst nicht besonders interessiert waren an ihrem Fach
  • behandelt zu werden wie ein Kind, obwohl man das Gefühl hatte die Welt verstanden zu haben
  • Fragen, die einem keiner beantworten konnte
  • an das Mädchen im anderen Teil des Raumes zu denken, aber stattdessen Vokabeln zu rezitieren
  • davon zu träumen sich in der Welt zu beweisen, aber stattdessen Angst zu haben drangenommen zu werden und nichts sagen zu können

Und das soll ich mir jetzt für den Rest meiner gesunden Erwachsenenzeit antun, Kindern dabei zuzugucken, wie sie selbst keinen Bock haben da zu sitzen?
Habe ich dafür Physik studiert, bin um die Welt gereist? Habe ein Unternehmen gegründet und mich nie verbiegen wollen? Um nörgelnden, pubertierenden Kindern Mathe einzupauken?
Was mache ich hier eigentlich???

 

Supertramp…

Endstation Schule II

Immer träumte ich davon die Welt zu verändern. Und das dachte ich auch über meine Arbeit als Lehrer.

ich will:

  • Schüler inspirieren,
  • ihnen zeigen, dass hinter Mathematik Schönheit steckt,
  • zu Chancen verhelfen, die andere niemals bekommen könnten
  • helfen an sich selbst zu glauben
  • zu Menschen erziehen, die die Zukunft zu einem lebenswerten Ort machen

was ich tatsächlich tue:
Lehrer sein:

  • frontal unterrichten und versuchen Wurzelgesetzt und negative Zahlen in die Schüler zu pumpen.
  • Schülern eine 6 dafür geben, dass sie versuchen abzuschreiben.
  • die Zeit stoppen, die ich warte, bis sie ruhig sind.
  • unangekündigte Tests schreiben, um zu zeigen, dass es hier schließlich um Mathe geht.
  • mir von allen Seiten sagen lassen, dass man schon die Hackordnung klären muss, bevor man konstruktiven Unterricht machen kann.

klar. ohne Respekt und Aufmerksamkeit gehts nicht.
klar, pubertierende Bengel und Gören wollen auch einfach ihre Grenzen austesten.

Aber wieviel von dieser verdammten Lehrer- und Pädagogenrolle will und kann ich einnehmen?

ich meine…als ich selbst noch auf der anderen Seite saß…habe ich nicht das gleiche gemacht? natürlich haben wir damals auch versucht abzuschreiben. natürlich will man Spaß haben mit seinen Mitschülern statt Mathe-Grammatiken zu lernen.

wo ist der Weg, auf dem beides geht? auf dem ich die Bedürfnisse der Schüler ernst nehme, trotzdem effektiven Unterricht mache und mich dabei nicht totarbeite?

 

Mein aktueller Soundtrack:

 

Endstation Schule?

Zusammenfassung meiner ersten vier Wochen als Lehrer.

1. Woche: Überleben
4h Schlaf/Nacht – keine freie Minute ohne Unterrichtsplanung
Träumen von misslungenem Unterricht und juristischen Auseinandersetzungen mit Eltern
weinen in der Straßenbahn, weil ich mir das einfacher vorgestellt habe

2. Woche
Euphorie
es scheint ungefähr zu klappen: ich mache Unterricht, die Schüler finden es halbwegs interessant, ich denk mir ein paar lustige Sachen aus, ich schlafe wieder 7h/Nacht und im Vergleich zu den anderen Anfängern bin ich scheinbar halbwegs entspannt. vielleicht…vielleicht habe ich wirklich einen job, der mir spaß macht und der wirklich sinnvoll ist

3. Woche
hmm, kranksein
ersten Unterrichtsbesuch überlebt,
aber ich stecke in einer mentalen Sackgasse: ich wollte inspirieren, stattdessen habe ich Angst, dass ich den Lehrplan nicht einhalte und versuche möglichst viel Stoff durchzukriegen und bin sauer, wenn die Kinder nicht zuhören

und warum soll ich nochmal quer durch Berlin zu Seminaren fahren?
morgens um 8 nach Britz, dann nach Zehlendorf, am nächsten Tag nach Westend.
ist ja nett, dass wir “Raum für Reflexion” bekommen, aber “Indokrination” und “Anwesenheitspflicht” bleiben leider mehr in meinem Kopf hängen.
Muss man, um Lehrer zu werden, selbst nochmal die Zwänge eines Schülers erleben?